KURZER HISTORISCHER ÜBERBLICK:
Die Geschichte dieses Festivals begann in der Kleinstadt Ilshofen aus dem Bedürfnis junger Menschen heraus, Kultur in den ländlichen Raum zu bringen. Im „Niemandsland“ zwischen Crailsheim und Schwäbisch Hall gelegen – damals noch ohne Autobahnverbindung (die A6 nebst Kochertalbrücke war noch nicht fertig gestellt) war es für Jugendliche schwer, ihren musikalischen Neigungen nach zu gehen.
Endlich: Ab 1976 gab es dort vereinzelte Auftritte regionaler Musiker, und bereits im Jahre 1978 fand das 1. größere Festival statt. Der Wunschort war die Ruine in der Nähe von Ilshofen. Allerdings wurde durch schlechte Wetterprognosen der Veranstaltungsort vorsorglich in die etwa acht km entfernte Frank’sche Scheuer nach Oberaspach verlegt.
Ab 1979 blieb die Ruine Leofels dann der Ort des Geschehens: ob bei Regen oder Sonnenschein – es kamen Hunderte und in späteren Jahren mehrere Tausend Besucher aus ganz Deutschland (und weit darüber hinaus) in die idyllisch gelegene Burgruine am Dorfrand. War der Veranstalter ursprünglich noch die „AWO-Jugend Ilshofen“, so wurde durch die stetige Vergrößerung des Festivals schnell die Gründung eines eigenen Fördervereins nötig. Dies wurde der Verein Festival Leofels e.V. Das genaue Jahr der Gründung ist mir leider entfallen – es war aber auf jeden Fall nach 1985. Über die Jahre dürften insgesamt knapp 30.000 Besucher zu Gast „auf der Burg“ gewesen sein. Aus einem zunächst regionalen Phänomen entwickelte sich das Festival zu einem international besetzten Ereignis. Musiker aller Kontinente trafen sich in süddeutschlands „Folk-Zentrale“. Spontane Beispiele, die mir im Hirn kreisen: aus Zimbabwe Stella Chiweshe, aus Australien Colin Hay, aus den USA Michael Hurley, aus Kanada Long John Baldry (eines der eindrucksvollsten Blueskonzerte, die ich je erleben durfte), aus Schweden Garmarna, aus England Ashley Hutchings mit der Albion Band, die Schäl Sick Brass Band mit ihrer iranischen Sängerin und einem Sänger aus Ghana, die international besetzte Wiener Tschuschen-Kapelle. Ach, lest doch einfach die Liste unten… Und bevor ich es vergesse: Rund um die Ruine und auf den Campingplätzen rund um das Dorf verteilt gab es neben abwechslungsreichen Verkaufs- und Verpflegungsständen auch immer wieder spontane Jamsessions und Kleinkunstaufführungen von auftretenden Bands und Künstlern gemeinsam mit Besuchern. Ach ja, es war einfach toll (auch, wenn das Wetter nicht immer perfekt war).
Zunächst fand das Festival jährlich statt, später jedes zweite Jahr und für die Vorbereitung des letzten Festivals nahm man sich gar drei Jahre Zeit. „Nach drei Jahren Kreativpause (…)“ kamen noch einmal über 2000 Besucher in „(…) den kleinen Ort oberhalb vom Jagsttal.“[1] Allerdings machten immer wieder neue und nur schwer nachvollziehbare Auflagen seitens der Behörden es den Veranstaltern unnötig schwer, was zu einem gewissen Frust führte. Im Jahr 2002 beendete der Verein seine aktive Festivaltätigkeit. „Es fehlte immer mehr die finanzielle Basis“ [2] Danach herrschte, zumindest was dieses Festival betrifft „Ruhe in der Ruine“[3]. Auch die umfangreiche Homepage des Festivals wurde (wie bereits ober erwähnt) eingestellt. Dennoch ist die Ruine bis heute ein beliebtes Ausflugsziel und Veranstaltungsort für Open Air Theater. Die meisten der Bilder auf dieser Seite stammen von der vom Verein eingestellten Seite – ich konnte gerade noch rechtzeitig eine Datendisc des Vereins ergattern. Fotos in besserer Auflösung habe ich damals auch ein paar gemacht (Canon AE-1) – diese lade ich später einmal hoch (es sind ein paar Schöne dabei – z.B. das Bild der Ruine im Header).
PS:
Falls jemand von Euch inhaltliche Ergänzungen und Erlebnisse zu diesem Festival mitteilen möchte, bitte nutzt den Kommentarraum. Auch Fotos sind sehr willkommen!
GESAMTÜBERBLICK ÜBER ALLE Interpreten der dreizehn Festivals (mit Links):
- 1978: Wilfried Dold, Jean-Marie Peschiutta, Honalee, Liederjan, Thommie Bayer, Larynx, Martin Kolbe, Ralf Illenberger, Andrea Henne, Friedemann Witecka, Dieter Beck, Thomas Felder, Truckee, Linnenzworch, Schlauch (Bernd Köhler), Walter Stumpp
- 1979: Fliegenpilz, Detour (aus Frankreich – ihr Gitarrist Jean-Marie Peschiutta war im Vorjahr als Solist mit dabei), Honalee, Truckee, Andrea Henne, Dave Meaney, Jürgen Slopianka, Thomas Felder, Dieter Kaiser, Carola Gampe, Emma Myldenberger, Triad, Eresinger Stubenmusi, Schnappsack, Paul Guest
- 1980: Les Brown, Ingmar Kaeser, Linnenzworch, Ignaz Netzer, Wishing Dulisch, Liederleut, Kamac Pacha Inti, Scheytholz, Lorbass, La Romanderie, Schwabeliesl, Jesikama, Hammelkeule, Dany Bober, Harald Immig, Bruno Schollenbruch sowie das Trio Markus, Bernhard & Dietmar
- 1981: Scherbentheater, Liederkiste, Spielleut, Lilienthal, Pegasos, Petr Pandula & Tom Kannmacher, Alex Campbell, Georg Rist, Susan Reul, An Delen Dir, Old Castle College Band, Folkopera, Los Quinteros, Lumpenpack, Jack Carleton, Popp & Morscheck, Le Clou, Blasket Sound
- 1983: Günter Trautner, Los Andinos, Keltentanz, Fraunhofer Saitenmusi, Die kleine Tierschau, Brennessel, A Ppropos (steht so geschrieben im Programmheft), Canto Vivo, Dirt Road Special, Wisdom Force, Schwobeliesel, Frankfurt City Blues Band, Le Clou, Susan Reul & Roberto Capitoni
- 1985: Maxwell Blues Band, Trio Blamage, Edgar & Karl, Tom Bombadil Folkband, Guglhupfa & Bruno Jonas, Remstal Raschdaverai (sagten angeblich ab – aber wo habe ich die dann gesehen?), Oisin, Erotic Explousch’n, Modo Nuevo, Indo–America, Grashalm, Kniri’s Crazy Blues Band, Country Blues Project, türkisches Folk-Duo (als Ersatz für das Trio Devrimi – diese konnten wegen eines gebrochenen Armes nicht auftreten)
- 1987: Shotgun, Gigolo Reinhardt Swingtett, Spice Band, Mother Carey, Wiese – Becker – Lemke, Pros Echos, Werner Lämmerhirt, Das dritte Ohr, Zambos, Accent Grave, Thomas Felder, Die Märchenprinzen, Liederjan, Roberto Capitoni & Jörg Smok
- 1989: Skylark, The Jackson Singers, Lailo, Hugh Moffatt, Rolf Hirsch & Roland Palatzky, Albion Band, Kolinda, Margarita Pastene, Eisi Gulp, Acanto, Louis Capart, Paul Millns & Olaf Kübler, Blues Gang, Zauberer
- 1991: Düwelskermes, Gruppo Nahual, Matchbox Bluesband, Paul F. Cowlan, Rüdiger Oppermann & Harp Attack, Jams, Agricantus, Manos Flamencas, Susu Bilibi, Colalaila, Groundspeed, Colin Wilkie, Whippersnapper, Clown Pello
- 1993: Stella Chiweshe & The Earthquakes, Jackson Singers, Erich und das Polk, Beppe Gambetta, Evo & Jemmy Bluestein, Paul Millns (diesmal Solo), Peter Kirtley Band, Altan, Long John Baldry, Anne Wylie Band, Praxis, Sally Barker & The Rhythm, Honey Pie, Die Märchenprinzen
- 1995: The Flying Pickets, Big Jig & Sally Barker, Broadlahn, Bantree Duo, Regina Lindinger, Klezmatics, Michael Hurley, Trinovox, Ifang Bondi, Tre Martelli, Pippo Pollina, Lo`Jo, Frankfurter Kurorchester, Julia Weill
- 1997: Geraldine MacGowan, HISS, Schäl Sick Brass Band, An Erminig, Wiener Tschuschen-Kapelle, Timna Brauer & Elias Meiri Ensemble, Iron Horse, Papa Wemba, Garmarna, Colin Hay, Carnascialia, Hohenloher Streichquartett, Anne Haigis
- 2000: Blasebelg, Geyers, Soul Sista, Bardic, Lydie Auvray & Auvrettes, Edwin Kimmler, Jim Kahr Group, Fisherman’s Walkband, Jazz-Frühschoppen, Tammorra, Nils Gessinger Band, Theatro Del Chiodo, Věra Bílá & Kale
Für Lesebegeisterte mit gutem Augenlicht hier noch Harald Zigans Zeitungsartikel aus dem Jahr 2002 in voller Länge [2] :
Einzelnachweise:
(1) Snurawa, Ralf: Der Sturm auf die alte Staufer-Burg. In: Haller Tagblatt (21. August 2000)
(2) Zigan, Harald: Festival Burg Leofels endgültig gestorben. In: Haller Tagblatt (17. April 2002)
(3) Ströbel, Holger: Ruhe in der Ruine. In: Haller Tagblatt, S. 33 (24. August 2002)
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Ich hab hier 4 Bilder von 1991, wem schick ich die ?
Inzwischen sind die Fotos eingepflegt. Vielen Dank!
Mei das war die Musikzeit meines Lebens.
Vom Parkplatzwärter zum „Vorsitzenden“ der Menschen, die das möglich machten. Danke für die tolle Darstellung!!
Hallo, dann bis Du doch sicher die perfekte Quelle für Ergänzungen und Anekdoten rund um die Burg! Auch über weitere Fotos würde ich mich sehr freuen!